Der Buch-KI-Tsunami auf Amazon – Ein Playbook für Verlage und Autoren

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Stephan Bruns
Stephan Bruns

Vorweihnachtszeit ist die Zeit der Adventskalender. Beim Stöbern durch die vielen Adventskalender auf Amazon sind mir dabei unzählige von Büchern aufgefallen, die sich dem Thema Advent widmen. Wer etwas spezifischer sucht, landet z. B. im Bereich Kochbücher für Teenager als Adventskalender. Oder aber Adventskalender für das Klo, beides als Buch. Was die Amazonsuche ausspuckt, ist eine endlose, fast hypnotische Wand aus Buchcovern.

Kochbücher für Teenager Adventskalender
Amazon Suchergebnisse zu Kochbücher für Teenager Adventskalender

Auf den ersten Blick eine Fülle an Auswahl. Auf den zweiten Blick die Offenbarung eines tiefgreifenden Problems: Dutzende Titel sind nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch fast identisch. Gleiche Schriftarten, ähnliche Bilder, austauschbare Versprechen. Sie alle bedienen scheinbar einen plötzlichen, seltsamen Bedarf an Koch-Adventskalendern für Jugendliche – oder Adventskalendern für das große Geschäft – eine Nische in der Nische.

Trend oder Kalkül?

Aber ist das ein echter Trend? Nein, vielmehr eine schlaue Kombination: Auf der einen Hand eine der nachfragestärksten Kategorien in der Vorweihnachtszeit: Adventskalender, und auf der anderen autogenerierte KI-Bücher zu pseudorelevanten, allgemeingültigen Themen. Preislich in einem Bereich, der als vorweihnachtliches Geschenk geradezu attraktiv erscheint. Eine wunschgemäße Alternative zum Schoko-Kalender, was “Nettes zum Lesen” in der Hoffnung, Tochter und Sohn oder der Ehemann beschäftige sich mal mit was andrem als dem Handy.

Masse statt Klasse

Ich könnte auch etliche andere Beispiele vorbringen, wo eine vergleichbare Symbiose auf Amazon stattfindet. Die Produkte an sich sind aber fast egal. Denn allein die schiere Masse dieser im Niedrigpreissegment angesiedelten Titel erreicht etwas Zerstörerisches: Sie verwässert die Suche, macht die wirklich wertvollen, mit Herzblut und Expertise geschriebenen Bücher unsichtbar und frustriert den Kunden, der sich durch Seiten von digitalem Klon-Müll wühlen muss.

Meine Beispiele sind mehr als eine kuriose Nischenbeobachtung. Sie sind ein Gleichnis für das, was in vielen anderen Nischen auf Amazon bereits passiert oder unmittelbar droht. Das Problem ist dabei nicht das Self-Publishing an sich. Plattformen wie Kindle Direct Publishing (die Möglichkeit, Bücher über Amazon verlegen zu lassen, inkl. Druck) gibt es auf Amazon schon lange, und sie haben vielen großartigen Autoren eine Stimme gegeben. Neu ist jedoch die schon fast industrielle, KI-getriebene Skalierung. Die Hürde, ein “Buch” zu erstellen und auf den größten Marktplatz der Welt zu bringen, ist auf null gesunken. Ein Zehntklässler kann das mit dem eigenen Handy mit wenigen Handgriffen bewerkstelligen. Aber wo keine Hürden sind, gibt es auch keine Qualitätssicherung. Amazon bietet diesen massenhaft erstellten Inhalten eine breite Bühne, wie sie sonst nirgends zu finden ist (später dazu mehr).

Adventskalender fürs Klo
Amazon Suchergebnisse zu Adventskalender fürs Klo

Was können Autoren und Verlage tun?

Die entscheidende Frage für Autoren und Verlage lautet also: Wie kann mein Buch, wie kann ich mit echter Qualität hier noch herausstechen? Wie können unsere Buchtitel inmitten dieser Flut von inhaltsleerem Rauschen noch die Aufmerksamkeit und das Vertrauen der Kunden gewinnen?

Die Mechanismen des Problems und ihre Folgen

Um die richtige Strategie zu entwickeln, müssen Verlage und Autoren die Mechanismen dahinter verstehen, die ihnen direkt schaden. Die KI-Flut ist kein isoliertes Phänomen, sondern eine Kette mit direkten, messbaren Konsequenzen für das Geschäft auf Amazon.

Man könnte sich fragen, wie Menschen solche Bücher (richtige Bücher sind es ja eigentlich gar nicht) kaufen können: Der Kunde sucht und kauft einen für ein ganz bestimmtes Nachfragebedürfnis optimierten Artikel. In meinem Beispiel ein “nettes” Geschenk, kurzweilig, belanglos, was nach 24 Tagen seine Pflicht erledigt und landet, wie heute eben üblich, auf dem Müll. Das perfekte Produkt für die Schnelllebigkeit und Austauschbarkeit in der heutigen Gesellschaft, in einer dafür optimierten E-Commerce-Welt.

Wer sich die Bücher inhaltlich anguckt, merkt sofort, dass der Inhalt aus der Konserve stammt, rein KI-generiert, mit keinem Anspruch auf irgendetwas, völlig belanglos, wiederholend und langweilig. Das Problem dabei: Ein mit einhergehender Vertrauensverlust in die Qualität der Bücher. Der Preispunkt wird zum Treiber, da die Masse der Titel blendet. Käufer, die vom Kauf zurückschrecken.

Die Sichtbarkeit leidet

Dein größtes Kapital auf Amazon ist dein organisches Ranking. Du investierst in exzellenten Inhalt, ein professionelles Lektorat und ein starkes Cover, um im Ranking zu steigen. Nun kämpft dein Werk nicht mehr gegen eine Handvoll relevanter Mitbewerber, sondern gegen eine Lawine aus generischem „Müll". Deine organische Reichweite wird erstickt, weil die Suchergebnisse mit Titeln verstopft sind, die nur existieren, weil ihre Erstellung quasi nichts kostet.

Als Autor und Verlag aus der Masse herausstechen

Um aus der Masse hervorstechen, musst du die Klaviatur der Retail Readiness auf Amazon beherrschen. Die neuen Mitspieler legen dabei die "Stange" recht hoch. Sie nutzen gute Bilder, SEO-optimierte Titel und Texte, A+ Content, Rezensionen (wenn auch mehr Fake als authentisch) und Advertising, um die Kunden zu sich zu locken. Du musst mit deinen Werken mindestens hierzu aufschließen.

Erkaufte Sichtbarkeit dank Advertising

Um in diesem Chaos überhaupt noch gefunden zu werden, müssen Autoren und Verlage verstärkt auf Amazon Advertising setzen. Doch auch hier geraten sie unter Druck. Die Anbieter von KI-Büchern haben keine nennenswerten Produktions-, Lager- oder Personalkosten. Sie können mit einem ACoS (Advertising Cost of Sales) von 50 % oder mehr leben, weil jeder Verkauf reiner Gewinn ist. Das treibt die Klickpreise (CPC) für alle in die Höhe. Deine Werbekampagnen werden teurer und weniger effizient, weil du gegen Akteure bietest, die nach völlig anderen wirtschaftlichen Regeln spielen.

Meine Handlungsempfehlungen für Autoren und Verlage

Als Autor oder Verlag kannst du nicht darauf warten, dass Amazon das Problem für dich löst. Du solltest proaktiv handeln. Ich selbst habe meine beiden Amazon-Fachbücher beim Rheinwerk Verlag veröffentlicht – und das war eine sehr bewusste Entscheidung gegen das schnelle Self-Publishing und für einen Partner, der für genau das Gegenteil der KI-Flut steht.

Für mich ist der Rheinwerk Verlag hier ein Paradebeispiel. Ein Buch dort zu veröffentlichen, bedeutet, einen intensiven Qualitätssicherungsprozess zu durchlaufen. Jedes Manuskript wird von einem Fachlektorat geprüft, redaktionell begleitet und professionell gesetzt. Der Verlag investiert in ein hochwertiges Cover und eine durchdachte Vermarktung. Er agiert als Filter und als Qualitätsversprechen an den Leser. Der Name des Verlags bürgt für Qualität, und diese Qualität strahlt auf das Buch und den Autor ab. Genau aus diesem Grund habe ich mich für diesen Weg entschieden: Ich wollte, dass meine Expertise durch die Marke eines renommierten Verlags bestätigt und veredelt wird.

Genau dieses Prinzip ist es, was jetzt für alle ernsthaften Autoren und Verlage zur wichtigsten Strategie wird. Es geht darum, sich auf das zu besinnen, was eine KI niemals generieren kann: Den Beweis des Menschlichen, also glaubwürdige Autorenschaft. Was das konkret bedeutet, unterscheidet sich je nach Genre, aber das Prinzip bleibt dasselbe. Für Sach- und Fachbuchautoren geht es darum, ihre nachweisbare Expertise in den Vordergrund zu stellen. Der Leser muss sofort erkennen: Hier schreibt jemand, der wirklich Ahnung von seinem Thema hat. Für Romanautoren, Krimi- oder Fantasy-Schriftsteller liegt der Schlüssel hingegen darin, ihre unverwechselbare Autorenstimme und kreative Originalität sichtbar zu machen. Hier muss der Leser spüren: Das ist keine generische Geschichte, sondern das Werk einer einzigartigen Vorstellungskraft.

Amazon Advertising Buch
A+ Content für mein Amazon Advertising Buch

Produktpräsentation

Es reicht nicht mehr, nur ein gutes Buch zu haben – du musst es beweisen. Dein A+ Premium Content ist dafür das wichtigste Werkzeug. Für den Fachexperten empfehle ich, nicht nur das Inhaltsverzeichnis zu zeigen, sondern die Entstehungsgeschichte des Buches zu erzählen, dich als Autor in einem Video zu zeigen oder Einblicke in deine Recherche zu geben. Für den Romanautor gilt dasselbe Prinzip mit anderen Mitteln. Hier kannst du den A+ Content nutzen, um die Welt deines Buches vorzustellen, die Hauptcharaktere mit Grafiken zum Leben zu erwecken oder über deine persönliche Inspiration für die Geschichte zu sprechen. Zeige das Herzblut, das in deiner Welt steckt.

Markenstore als Qualitätsmerkmal

Ein starkes Marken-Ökosystem ist dabei unerlässlich. Deine Produktseite ist nur ein Teil des Ganzen. Dein Amazon Store ist deine kuratierte Bibliothek, die Präsentation deines Verlages. Er ist der sichere Hafen, in den du Kunden aus dem chaotischen Suchergebnis-Ozean führen kannst. Verlinke deinen Store prominent in deinen Werbeanzeigen und nutze Sponsored Brands, um deine gesamte Verlagswelt zu präsentieren. Schaffe Vertrauen und Identität. Deine "Marke" wird so zum Filter, den der Kunde bewusst wählt.

Amazon Advertising nutzen

Gleichzeitig solltest du deine Werbung defensiv und intelligent ausrichten. Ein Teil des Werbebudgets sollte darauf konzentriert werden, den eigenen Raum zu verteidigen. Biete aggressiv auf deinen Autorennamen, deinen Verlag und deine Buchtitel. Es mag kontraintuitiv klingen, für Klicks zu bezahlen, die du vielleicht auch organisch bekommen hättest, aber in der aktuellen Lage ist es eine notwendige Verteidigungsmaßnahme.

Meine Prognose: Wie Amazon reagieren wird

Eine berechtigte Frage, die immer wieder gestellt wird, ist, warum Amazon dem Treiben nicht einfach einen Riegel vorschiebt. Um die eigene Strategie zu justieren, ist es entscheidend, das fundamentale Dilemma der Plattform zu verstehen.

Dazu muss man sich die schiere Dimension von Kindle Direct Publishing (KDP) ansehen. Genaue, tagesaktuelle Zahlen veröffentlicht Amazon nicht, doch Branchenanalysen gehen davon aus, dass über KDP weltweit mehr als eine Million Bücher pro Jahr neu erscheinen – also mehrere Tausend Titel an jedem einzelnen Tag. Für den deutschsprachigen Markt lässt sich konservativ von zehntausenden neuen Self-Publishing-Titeln pro Jahr ausgehen, von denen ein erheblicher Teil über KDP läuft. Amazon steht damit vor der gigantischen Herausforderung, diese Titelflut nach qualitativen Vorgaben zu filtern – ein vollständig manueller Prozess ist bei diesem Volumen praktisch ausgeschlossen.

Könnte Amazon die Veröffentlichung von minderwertigen Inhalten nicht trotzdem technisch verhindern? Sicherlich gäbe es diese Möglichkeit. Aber das widerspräche dem Kernanspruch von KDP. Die Plattform wurde nicht als kuratierter Verlag gegründet, sondern als Werkzeug zur Demokratisierung des Publizierens. Die Grundidee war und ist es, die traditionellen Gatekeeper – also die Verlage – zu umgehen und jedem eine Stimme und einen Vertriebskanal zu geben. Qualität zu definieren und zu filtern, war nie der primäre Anspruch von KDP. Der Fokus lag immer auf offenem Zugang und Skalierung.

Amazon hat auf dieses Problem auch schon reagiert, wenn auch zögerlich. So führte das Unternehmen 2023 ein Limit für die Anzahl der täglichen Uploads bei KDP ein. Dies war ein erstes Anzeichen, dass Amazon das Problem erkannte. Gleichzeitig zeigt die heutige Situation, dass diese Maßnahme bei weitem nicht ausreichte. Die heutige Situation zeigt jedoch, dass dieser Schritt bei weitem nicht ausreichte, da er nichts am eigentlichen Qualitätsproblem änderte.

Deshalb wird die finale Reaktion von Amazon kein großes „Aufräum-Update" sein. Meine Prognose ist, dass die Lösung eine langsame, aber stetige algorithmische Neubewertung von Autorität sein wird. Der Algorithmus wird lernen, stärker auf langfristige Signale zu achten, die schwer zu fälschen sind: die Historie einer Marke, die Konsistenz des Portfolios, Engagement-Metriken wie die Verweildauer auf dem A+ Content oder eine niedrige Retourenquote.

Bis diese algorithmische Anpassung greift, liegt die Verantwortung bei den Verlagen und Autoren selbst. Die aktuelle Situation ist mehr als nur eine Krise; sie ist ein Katalysator. Sie zwingt sie, sich auf ihre wahren Stärken zu besinnen: ihre Expertise, ihre Geschichten und ihre Fähigkeit, eine echte Beziehung zu ihren Lesern aufzubauen. Diejenigen, die jetzt in ihre Marke als Beweis ihrer glaubwürdigen Autorenschaft investieren, werden nicht nur diese Welle überstehen – sie werden gestärkt daraus hervorgehen, während die generische Masse an ihrer eigenen Belanglosigkeit zerbricht.

Fazit: Die Krise als Bewährungsprobe

Was bedeutet das nun alles für dich als Autor oder Verlag? Die Flut an KI-generierten Inhalten auf Amazon ist mehr als nur ein Ärgernis. Sie ist eine fundamentale Veränderung des Marktplatzes, die eine klare Entscheidung erfordert. Darauf zu warten, dass Amazon das Problem löst, ist keine Strategie.

Die gute Nachricht ist: Die Lösung liegt nicht darin, lauter zu schreien als der Lärm, sondern darin, ein unmissverständliches Signal für Qualität zu senden. Die aktuelle Situation ist kein Todesstoß für hochwertige Bücher, sondern ihre größte Bewährungsprobe. Sie zwingt ernsthafte Autoren und Verlage dazu, sich auf das zu besinnen, was sie unersetzlich macht: ihre Kreativität, ihre Expertise und ihre Fähigkeit, eine echte Verbindung zum Leser aufzubauen.

Die KI-Welle trennt die Spreu vom Weizen. Diejenigen, die nur auf schnelle Trends und billige Produktion setzen, werden in der Masse untergehen. Diejenigen aber, die ihre Marke als Qualitätsversprechen verstehen und ihre gesamte Präsenz auf Amazon professionell und authentisch gestalten, werden nicht nur überleben – sie werden als die vertrauenswürdigen Anlaufstellen aus diesem Chaos hervorgehen.

Mein Tipp: Investiere in deine glaubwürdige Autorenschaft. Sie ist und bleibt dein wertvollstes Kapital auf Amazon.

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