Irreführende Rabattstrategien: Warum Amazon für seine Preisgestaltung abgemahnt wird

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Stephan Bruns
Stephan Bruns

Deals, Angebote und Streichpreise sind einer der wichtigsten Verkaufstreiber auf Amazon. Ohne Prime Day, Black Friday und Cyber Monday und Co, wäre die Plattform wohl deutlich unattraktiver für seine Kunden. Kunden werden hier häufig mit großen Rabatten gelockt, doch sind diese Rabatte am Ende wirklich so hoch wie angepriesen? Darf Amazon damit überhaupt werben? Eine aktuelle Klage der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg zeigt, wie kritisch die Gestaltung von Preisangaben auf Amazon bewertet wird.

Das Problem der Irreführung bei Rabatten

Für viele Kunden sind Rabatte der zentrale Kaufanreiz überhaupt auf Amazon einzukaufen. Doch wie realistisch sind die angeblichen Ersparnisse? Hier ist Vorsicht geboten. Häufig wird auf Amazon mit vermeintlichen Rabatten geworben, die auf den sogenannten Streichpreisen basieren. Diese durchgestrichenen Preise, oft als unverbindliche Preisempfehlung (UVP) des Herstellers deklariert, suggerieren eine signifikante Ersparnis. Allerdings liegen diese UVPs oftmals weit über den tatsächlich gängigen Marktpreisen der vergangene Tage und Wochen, was zu einer verzerrten Wahrnehmung bei den Kunden führt.

Dazu habe ich zwei beliebige Beispiele an aktuellen Angeboten herausgesucht, die das Problem deutlich machen (dies sind nicht mal besondere Beispiele eines wichtigen Deal-Tages auf Amazon. Du findest solche zu hunderten auf den Deal-Seiten von Amazon, zu jeder Zeit: https://www.amazon.de/deals).

Im ersten Beispiel schauen wir uns einen Kopfhörer an, der aktuell einen Angebotspreis von 29,99 Euro trägt (Befristetes Angebot hervorgehoben in einer roten Box). Dieser suggeriert bei dem Artikel eine Ersparnis von satten 20 Euro, wenn du das Produkt jetzt kaufen würdest. Geworben wird mit Ersparnis von 40 % gegenüber dem UVP (hier durchgestrichen dargestellt) der mit 49,99 Euro angegeben ist (Amazon wirbt damit tatsächlich, denn Streichpreise, werden auch in den zahlreichen Werbekampagnen auf Amazon ausgespielt).

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Befristetes Angebot eines Kopfhörers von soundcore auf Amazon.de (abgerufen am 22. Oktober 2024)

Schauen wir uns die Preishistorie dieses Artikels auf camelcamelcamel.com an (einer beliebten Preistracking-Webseite, die auch historische Preise vieler Produkte auf Amazoin.de erfasst), siehst du hier, dass der historische Preis des Kopfhörers der letzten fünf Monate durchgehend bei 39,99 Euro lag. Er wurde zuletzt im Mai 2024 für 49,99 Euro angeboten.

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Historische Preisveränderung des gleichen Kopfhörers auf camelcamelcamel.com (abgerufen am 22. Oktober 2024)

Der Rabatt, den du hier erhältst, beträgt also in Wirklichkeit 25 % nicht 40 %, denn du willst diesen ja mit dem zuletzt gültigen Marktpreis vergleichen und nicht mit historischen Werten, die für dich heute keine Relevanz mehr haben. Du sparst also nicht 20 Euro, sondern nur noch 10 Euro beim Kauf. Das ist doch ein gewaltiger Unterschied.

In meinem zweiten Beispiel geht es um eine Kuscheldecke, die im Angebot für 20,59 Euro angeboten wird, statt 39,99 Euro. 49 % Ersparnis bei 19,40 Euro. Ist dem Wirklich so?

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Befristetes Angebot einer Kuscheldecke von BEDSURE auf Amazon.de (abgerufen am 22. Oktober 2024)

Schauen wir uns hier ebenfalls die Preishistorie an, fällt auf, dass dieses Produkt regelmäßig im Angebot ist, schon sieben Mal in diesem Jahr. Immer für 20,59 Euro, ohne Angebot kostete es 25,99 Euro. Aber nie kostet es in diesem Jahr 39,99 Euro.

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Historische Preisveränderung der Kuscheldecke auf camelcamelcamel.com (abgerufen am 22. Oktober 2024)

Wenn jemand dieses Produkt für 25,99 Euro kauft, hat die Person einfach nur ein schlechtes Timing getroffen und den Rabattmoment verpasst. Dieser kommt regelmäßig wieder. Der Rabatt ist aber nie größer als 5,40 Euro (statt den suggerierten 19,40 Euro) und beträgt 20,77 % statt 49 % (also weniger als die Hälfte). Ich behaupte, jeder würde sich hier an der Nase herumgeführt vorkommen, würde ihm dies auf Anhieb sichtbar werden. Ein echtes Schnäppchen ist dieser Deal ja scheinbar nicht.

Die gesetzliche Grundlage: Preisangabenverordnung und 30-Tage-Regel

Schon im Jahr 2022 wurde die sogenannte Preisangabenverordnung reformiert, um mehr Transparenz im Handel zu schaffen. Eine zentrale Neuerung ist dabei die sogenannte 30-Tage-Regel. Diese besagt, dass Händler bei der Bewerbung von Preisermäßigungen den niedrigsten Preis angeben müssen, der in den letzten 30 Tagen vor der Rabattanzeige für das Produkt gegolten hat. Diese Regel soll verhindern, dass Händler kurzfristig die Preise erhöhen, um dann mit scheinbar hohen Rabatten zu werben. Du kennst das auch aus dem Supermarkt.

Das sogenannte 3. Preisschild zeigt, wie der Rabatt zuletzt ausgefallen war. Eine Möglichkeit Transparenz zu schaffen, sodass jeder Verbraucher direkt überprüfen kann, ob der suggerierte Rabatt nun wirklich ein besonderer Rabatt bezogen auf die Zeithistorie ist (nicht alle Supermarktketten machten hier bisher mit, wie eine gewonnene Klage der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg gegen Aldi-Süd zuletzt gezeigt hat: Hier nachzulesen.)

Die Herausforderung dabei: Viele Händler, Amazon eingeschlossen, berufen sich auf die Rechtmäßigkeit ihrer Streichpreise und argumentieren, dass es sich dabei nicht um Rabatte, sondern um Preisvergleiche handelt. Unterstützt wird diese Position teilweise auch durch das Bundeswirtschaftsministerium, das UVP-Vergleiche als zulässig ansieht, da sie unter eine andere EU-Richtlinie fallen.

Die Rolle des Europäischen Gerichtshofs

Die rechtliche Lage ist jedoch nicht ganz so einfach, wie es die Händler darstellen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat zugunsten der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg entschieden, dass Preiswerbung mit durchgestrichenen Preisen nur zulässig ist, wenn der durchgestrichene Preis dem niedrigsten Preis der letzten 30 Tage entspricht. Diese Entscheidung stärkt die Preistransparenz und soll die Praxis des kurzzeitigen Anhebens von Preisen zur Erzeugung scheinbarer Rabatte unterbinden. Das Urteil folgte einer Klage gegen Aldi Süd wegen irreführender Preisangaben. Dies bedeutet, dass Händler bei der Darstellung von Rabatten nicht einfach auf überhöhte UVPs verweisen können, sondern tatsächliche Preissenkungen anzeigen müssen.

Die Reaktion der Händler: Unsicherheit und Zurückhaltung

Der Handel, insbesondere der Einzelhandel, reagiert verhalten auf das Urteil des EuGH. Vertreter der Branche, wie der Handelsverband Deutschland (HDE), sehen die Entscheidung nämlich kritisch. Wie der Spiegel schreibt, argumentieren sie, dass die Einschränkungen die Werbemöglichkeiten der Händler unnötig beschneiden und zu weniger Sonderangeboten führen könnten. Diese Position zeigt, dass viele Händler noch unsicher sind, wie sie die Vorgaben in der Praxis umsetzen sollen.

Bislang gibt es von Seiten des Handelsverbands keine konkrete Empfehlung zur Anpassung der Preisstrategie ihrer Mitglieder. Dies könnte (auch) ein Grund dafür sein, dass viele Händler, darunter auch Amazon, weiterhin auf UVP-Vergleiche setzen und die neuen gesetzlichen Vorgaben nur zögerlich umsetzen.

Amazon hält sich Optionen frei

Auch Amazon kennt den tatsächlichen "Durchschnittspreis" der angebotenen Produkte. Amazon selbst schreibt in einer Richtlinie zum Preis zwar, dass es einen “Statt-Preis” gibt, der auch den historischen Preis der Produkte berücksichtigt, dieser wird in meinen Beispielen aber bisher nicht angezeigt.

"Ein Statt-Preis ("Statt") kann an verschiedenen Stellen zu Preisvergleichszwecken angezeigt werden, beispielsweise auf den Produktdetailseiten und in den Suchergebnissen für Ihre Produkte. So können Kunden die Ersparnis erkennen. Der Statt-Preis wird anhand der historischen Preise berechnet, die Kunden für das Produkt bei Amazon gezahlt haben. Angebotspreise werden hierbei nicht berücksichtigt." - Amazon-Richtlinien zu Referenzpreisen

Weiter schreibt Amazon: “Bei Ihren Rabattaktionen müssen Sie die gesetzliche Mindest- und Höchstdauer beachten. Für einige unserer europäischen Stores gilt eine Höchstdauer von 30 Kalendertagen. Für ein optimales Einkaufserlebnis sollten Sie zwischen verschiedenen Rabattaktionen ein gewisses Zeitfenster lassen.”

Der letzte Satz könnte auch als Tipp an Verkäufer gemeint sein, die Rabatte wie bei der Kuscheldecke oben immer wieder zu unterbrechen, damit Amazon auch den hohen Preisvorteil anzeigen kann.

Verbraucherschutz: Wie Kunden geschützt werden

Obwohl die Gesetzgebung eindeutig strengere Regeln vorgibt, bleibt die Umsetzung in der Praxis oft lückenhaft. Lokale Behörden, die für die Überwachung der Preisangaben zuständig sind, werden meist nur aktiv, wenn konkrete Beschwerden von Verbrauchern vorliegen. In vielen Fällen, gerade bei großen Marktplätzen wie Amazon, gehen jedoch nur wenige formelle Beschwerden ein. Dies führt dazu, dass irreführende Preisangaben häufig ungeahndet bleiben.

Fazit: Transparenz ist der Schlüssel

Der Fall Amazon zeigt deutlich, wie wichtig Transparenz im Online-Handel ist. Sowohl für Händler als auch für Verbraucher ist es entscheidend, dass Preisangaben klar und verständlich kommuniziert werden. Die 30-Tage-Regel der Preisangabenverordnung ist ein wichtiger Schritt in Richtung fairer Wettbewerb und Verbraucherschutz.

Es dürfte daher zukünftig spannend werden, ob Amazon hier ein anderes Verfahren einsetzen wird. Denn Rabatte und Deal-Tage sind für Amazon der Dreh- und Angelpunkt. Wenn die Rabatte zukünftig wie in den von mir zuvor gezeigten Beispielen deutlich geringer ausfallen, dürfte die Platform an Attraktivität verlieren. Amazon könnte also weiterhin auf Zeit spielen und abwarten, bis sie direkte Klagen abwehren müssen und das Thema so lange wie möglich aussitzen.

Dem sozialen Deal-Druck standhalten

Kunden wollen im Glauben bleiben, ein besonderes Schnäppchen gemacht zu haben. Denn es ist wissenschaftlich belegt, dass uns zeitlich befristete Angebote und Rabatte verlocken ein Produkt zu kaufen. Sogar dann, wenn wir wissen, dass Rabatt nicht so hoch ausfällt wie angegeben. So können wir auch dem sozialen Druck entgehen, das beste Schnäppchen des Deal-Tags gefunden zu haben, um es dann stolz den Freunden und Kollegen zu erzählen zu können. Schaut her, ich hab den höchsten Rabatt auf ganz Amazon gefunden.

Der Black Friday ist übrigens am 29. November. Wahrscheinlich werden die wenigsten Kunden die Preise so vergleichen, wie ich es getan habe. Daher solltest du die Chance für deine Produkte Streichpreise zu setzen jetzt noch nutzen, solange dies auf Amazon noch möglich ist.

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