Vendor kündigen? Vom Vendor zum Seller auf Amazon

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Stephan Bruns
Stephan Bruns

Dieser Artikel wurde zuerst auf eStrategy veröffentlicht.  Von Trutz Fries

Vendoren, die Amazon direkt beliefern, sind zunehmend frustriert: Konditionen werden nicht verhandelt, sondern diktiert. Der Ansprechpartner bei Amazon ist häufig nicht erreichbar, operativ ist die Zusammenarbeit mit Amazon alles andere als reibungslos. "Vendor kündigen?" ist einige häufig gestellte Frage. Und in der Tat: Viele Vendoren wechseln daher in das alternative Seller-Programm, bringt es doch bei vergleichbarem Aufwand entscheidende Vorteile mit sich.

Ist Amazon als Verkaufskanal für viele Händler bereits zum mit Abstand stärksten Kanal angestiegen, so nimmt auch die Bedeutung für Hersteller weiter zu. Diese sind vor mehreren Jahren von Amazon mit Kusshand in das Vendoren-Programm eingeladen worden, um die Produkte auf dem gleichnamigen Marktplatz anzubieten. Zu Beginn waren die Konditionen noch attraktiv, die Konkurrenz um die Buybox gering. Mit zunehmender Beliebtheit hat sich dies vor allem in den letzten zwei Jahren geändert. Amazon ist sich seiner Dominanz bewusst und drückt die teils unübersichtlichen Konditionen immer. Aber auch operativ sind viele Hersteller zunehmend frustriert: Amazon übt zusammen mit den Marketplace-Händlern Druck auf die Marktpreise aus. Ansprechpartner sucht man bei Amazon häufig vergebens. Strafzahlungen z.B. bei angeblicher Falsch-Anlieferung sind nicht nachvollziehbar. Viele kleinteilige Bestellungen belasten die Logistik-Abteilung von Herstellern, Retouren werden mittlerweile zu 100% an den Hersteller zurückgeschickt, was sich Amazon fürstlich durch Abschläge vom Gesamt-Umsatz vergüten lässt. Auch beim Marketing und Produktpflege sind die Hersteller auf sich gestellt. Der Return-on-invest bei Ausgaben für sog. „Markenshops“ oder „Werbekostenzuschüsse“ hat sich – vorsichtig formuliert – als schwer überprüfbar herausgestellt. Allgemein ist die Transparenz hinsichtlich wesentlicher Erfolgskennzahlen innerhalb von Vendor Central, der Online-Plattform für Vendoren, gering.

Immer mehr Hersteller stellen daher die Partnerschaft mit Amazon in Frage. Aufgeben wollen die Hersteller diesen Kanal aus nachvollziehbaren Gründen nicht, daher prüfen nicht wenige Vendoren den Wechsel in das sog. "Seller-Programm“. Die Vorteile liegen auf der Hand: Der Vendor hat im Seller-Programm die absolute Preiskontrolle, Prime-Vorteile können im FBA-Programm gleichermaßen genutzt werden, die Content-Pflege stellt sich für registrierte Marken als deutlich einfacher heraus. Die Lagerbestandsplanung nimmt der Hersteller im FBA-Programm selbst vor. Und auch im Bereich des Marketings stehen den Marketplace-Sellern immer mehr Tools zur Verfügung, die einst nur von Vendoren genutzt werden können. Doch beim Wechsel ins Seller-Programm gibt es auch einige Besonderheiten zu beachten, die im Folgenden erläutert werden sollen.

Registrierung im „Verkaufen bei Amazon“ Programm

Bevor Hersteller auf dem Marktplatz Amazon verkaufen können, müssen diese sich für das Programm "Verkaufen auf Amazon" registrieren. Dieses funktioniert recht einfach im Self-Service Verfahren. Dabei müssen einige Dokumente zum Unternehmen und dem wirtschaftlich Berechtigten eingereicht werden. Die Freischaltung erfolgt in der Regel nach einigen Tagen. Wichtig hierbei ist zu wissen, dass Amazon nur ein Konto je wirtschaftlich Berechtigtem erlaubt. Bevor man sich registriert, sollte daher intern nochmal geprüft werden, ob nicht bereits ein Seller-Konto aus alter Vorzeit besteht.

Nicht eindeutig zu beantworten ist die Frage, ob der Start als Marketplace-Seller mit dem Vendor Manager abgesprochen werden sollten. Dieses hängt vom jeweiligen Einzelfall, der Bedeutung des Vendors für die jeweilige Kategorie und der Beziehung zu Amazon ab. Grundsätzlich raten wir immer zur vorherigen Absprache mit Amazon. In der Regel sollte Amazon keine Steine in den Weg legen, wenn zum Beispiel geplant ist, Produkte über den Seller-Account anzubieten, die Amazon bei dem Vendor nachweislich nicht bestellt. Dies könnte also eine mögliche Einstiegsstrategie in das Dasein als Marketplace-Seller darstellen.

Markenregistrierung in der Amazon Brand Registry

Im nächsten Schritt sollte die eigene Marke bei der Amazon Brand-Registry angemeldet werden. Voraussetzung für eine reibungslose Anmeldung ist, dass die Marke bei einem offiziellen Markenregister (z.B. dem DPMA) eingetragen ist. Die Registrierung der Marke in der Amazon Brand Registry hat mehrere Vorteile: Der Inhaber erhält die Schreibrechte auf die Produktlistings, die mit der Marke (Kasten: exakte Schreibweise beachten) versehen sind. Seller mit registrierter Marke können kostenfrei A+ Content anlegen, der hier „erweiterte Inhalte für Marken“ heißt. Last but not least können Seller für Ihre Marke einen sog. „Händlershop“ anlegen. Für diesen haben Vendoren in der Vergangenheit eine Menge Geld bezahlt. Für Händler ist dieser kostenlos.

Hat der Händlershop für Händler noch keine überragende Bedeutung, so könnte sich das in Zukunft ändern. Z.B. in Verbindung mit externen „Top-of-the-funnel“ Traffic-Kampagnen ergeben sich seit kurzem interessante Möglichkeiten, die auch eine Erfolgsmessung erstmalig möglich machen. Seller sollten das Thema also im Auge behalten, auch wenn es heute noch keine hohe Priorität hat, wenn es darum geht, den Abverkauf zu fördern.

Anpassung der Warenwirtschaft / des ERP-Systems

Mit dem Wechsel in das Seller-Programm ändern sich auch die Schnittstellen, mit denen Amazon die Daten an den Händler überträgt. Hat der Vendor z.B. auf den Austausch via EDI gesetzt, so steht diese Möglichkeit für Seller nicht zur Verfügung. Dafür haben Seller mit den „Merchant Web Services“ (MWS) eine mächtige Schnittstelle zur Verfügung, über diese Amazon vielfältige Daten zu Bestellungen, Lagerbeständen uvm. bereitstellt. Viele Warenwirtschaftssysteme haben diese bereits angebunden. Dennoch sollte diese Anbindung gut getestet werden.

Auch die Buchhaltung und der Steuerberater sollten rechtzeitig zu Rate gezogen werden, übermittelt Amazon doch standardmäßig keine Umsatzsteuerdaten. Für den Kunden müssen jedoch Rechnungen erstellt und auch übermittelt werden. Alles Dinge, die über die Schnittstelle lösbar sind, jedoch zu Beginn wohl durchdacht und gut getestet werden sollten. Gerade die Anbindung der Warenwirtschaft stellt häufig eine größere Hürde da, weswegen der Wechsel in das Seller Programm eher parallel zum Vendor-Programm erfolgen sollte und nicht seriell.

Erstellen eigener Angebote / Preisstrategie

Jetzt müssen konkrete (Preis-)Angebote, für die häufig bereits im Katalog befindlichen Produkte erstellt werden. Hier kommt also zum ersten Mal die neu gewonnene Freiheit bei der Preisgestaltung zum Tragen. Zu diesem Punkt muss bereits entschieden werden, ob die Produkte im Eigenversand oder via Versand durch Amazon (FBA) verschickt werden sollen. Sofern keine Ausschlussgründe vorliegen oder FBA wirtschaftlich keinen Sinn macht, ist FBA immer zu empfehlen, gehen damit doch viele Versandvorteile für Prime-Mitglieder einher und der Umsatz kann via FBA nochmal deutlich gesteigert werden. Wird FBA genutzt, müssen die Angebote entsprechend deklariert werden. Die Angebote werden erst dann aktiv, wenn Lagerbestand bei Amazon eingebucht wurde. Wer FBA nutzt, muss sich für ein Lagermodell entscheiden. Soll die Ware nur in Deutschland, in Mitteleuropa oder ganz Europa (PAN-EU) gelagert werden? Die Modelle sind mit unterschiedlichen Lagerkosten und steuerrechtlichen Auswirkungen verbunden, hier ist eine vorherige professionelle Beratung sinnvoll. Entscheidet sich der Vendor für den Eigenversand, so müssen natürlich die logistischen Voraussetzungen im Vorfeld geschaffen werden, da schon in der nächsten Minute nach Live-Schaltung die ersten Bestellungen eintreffen können und zeitnah erfüllt werden müssen.

Viele Hersteller sehen sich zu diesem Zeitpunkt mit der Situation konfrontiert, dass andere Händler die eigenen Produkte zu einem deutlich niedrigeren Preis als der UVP anbieten. Der Wechsel in das Seller-Programm allein löst daher das Problem zu niedriger Straßenpreise nicht. Hersteller sollten daher bereits im Vorfeld oder spätestens jetzt das Konditionen-Modell mit ihrem Vertragspartner kanalübergreifend überarbeiten, so das andere Händler zu den gewünschten Marktpreisen anbieten können bzw. müssen. Kartellrechtliche Bestimmungen sind dabei in jedem Fall zu beachten.

Lagerbestandsplanung

Erfolgt der Versand via FBA so muss jetzt die Ware an Amazon geschickt werden. Die Anlieferplanung ist trivial und erfolgt auch über Seller Central. Die Ware kann via Kartons oder Palette verschickt werden. Es gelten ähnliche Anforderungen an Verpackung und Etikettierung wie für Vendoren. Seller können im Rahmen ihrer FBA Kapazitäten selbst entscheiden, welche Menge welchen Produktes bei Amazon eingelagert werden sollen. Mit der neuen Freiheit kommen aber auch neue Pflichten: Seller müssen die Lagerbestände selbst kontrollieren und für eine ausreichende Lieferfähigkeit sorgen. Hier unterstützen Tools, die Verkaufsgeschwindigkeiten überwachen und Empfehlungen zur Anlieferung geben. Darüber hinaus müssen Seller auch Überbestände im Blick behalten. Produkte, die länger als 6 Monate im Lager Amazons liegen, werden an zwei Stichtagen pro Jahr mit drastischen Strafzahlungen belegt. Amazon weist aus eigenem Interesse jedoch rechtzeitig darauf hin.

FBM (Fulfillment by Merchant)

  • Lagerhaltung sowie Pick & Pack, Retourenhandling durch Händler
  • Versand via eigenem Logistiker direkt an den Kunden
  • Kein Prime-Badge, d.h. keine Vorteile für Prime-Kunden (Ausnahme: Prime durch Verkäufer)
  • Dargestellt als „Verkauf und Versand durch HÄNDLERNAME

FBA (Fulfillment by Amazon)

  • Lagerhaltung sowie Pick & Pack, Retourenhandling durch Amazon (Lagerkosten abhängig vom Volumen, Versandkosten abhängig von Größe und Gewicht)
  • Rücksendung durch Kunden kostenfrei für Händler
  • Vorteile für Prime-Kunden sorgen für mehr Umsatz (höheres Vertrauen, kostenloser Versand, ggfs. Prime-Now)
  • Dargestellt als „Verkauf durch HÄNDLERNAME und Versand durch Amazon“
  • Voraussetzung für Teilnahme an Blitz-Deals, Prime-Day, PAN-EU

Kundenservice

Hat Amazon den Kundenservice für Vendoren übernommen, so ist dies jetzt Aufgabe des Sellers. Kundenanfragen müssen innerhalb von 24h Stunden beantwortet, Retourenanfragen die bei Eigenversand anfallen, ebenfalls zeitnah abgewickelt werden. Letzteres kann mit einigen Einstellungen auch automatisiert werden. Zudem müssen Seller diverse Qualitätskennzahlen stets im Blick behalten, da eine Unterschreitung bestimmter Service Levels im schlimmsten Fall eine (vorübergehende) Deaktivierung des Seller Accounts zur Folge haben kann. Dies ist sicherlich der größte Unterschied zum Vendor-Programm: Schmeißt Amazon Vendoren meist nur dann raus, wenn ein profitabler Verkauf nicht mehr gewährleistet werden kann oder man sich auf Konditionen nicht einigen konnte, so kann es Seller schon dann treffen, wenn z.B. die Rate an Bestellmängeln nicht den Erwartungen Amazons entspricht. Diesen Paradigmen-Wechsel sollte man stets im Hinterkopf behalten. Nicht zuletzt ist das ein Grund, warum ein Wechsel gut geplant oder von erfahrenen Beratern mit operativer Seller-Erfahrung begleitet werden sollte.

Controlling

Für Datenfreaks ebenfalls eine Wohltat sind die vielfältigen Daten und Berichte, die Amazon seinen Sellern zur Verfügung stellt, zumindest wenn man es mit der Datenverfügbarkeit im Vendoren-Programm mit ARA-Basic vergleicht. Bestelldaten erhalten Seller ohnehin und geben Aufschluss auf Warenkorb-Statistiken, Kundengruppen u.v.m. Zudem erhalten Seller Daten zu Buybox-Quoten und können über Amazons Echtzeitschnittstelle auch die gesamte Buybox überwachen. Damit sind mit Hilfe externer Tools nicht nur Re-Pricing, sondern auch Analysen möglich, die aufzeigen, welcher Händler wie häufig die Buybox innehatte, welcher Händler immer wieder den Preis nach unten treibt und vieles mehr. Gerade wenn es innerhalb des Herstellers darum geht, „schwarze Schafe“ zu ermitteln, die ihre Vorzugskonditionen für den Direktvertrieb auf Amazon nutzen, können diese Analysen wertvolle Daten liefern.

Erstellung von Werbe-Kampagnen

Seller erhalten immer mehr Zugriff auf Werbemöglichkeiten, die bislang nur Vendoren vorbehalten waren. Aber Vendoren haben ohnehin noch Zugriff auf die Amazon Marketing Services und können diese in der Regel wie gewohnt nutzen, um Headline-Search-Ads oder Product-Display-Ads zu schalten. Bei den „Gesponserten Produkten“ lohnt sich der Wechsel zu Seller Central, da Kampagnen dort nur ausgespielt werden, wenn Sie auch die Buybox besitzen. Headline Search Ads sowie Product Display Ads, die über AMS eingestellt werden, laufen unabhängig vom aktuellen Buybox-Inhaber. Ansonsten ist der Ablauf für Seller sehr ähnlich für Vendoren. Vendoren, die hier bereits aktiv waren, müssen sich also nur kaum umstellen. Auch Seller können Marketingaktionen wie Blitzangebote und Prime-Day für die Steigerung der Abverkäufe nutzen. Voraussetzung hierfür ist ein Angebot mit FBA und die eingetragene Marke in der Brand Registry. Rabattangebote und Gutscheine/Coupons stehen Sellern ebenfalls zur Verfügung.

Welche Kosten entstehen als Seller?

Basis für den Verkauf als Seller ist ein Seller-Account der monatlich 39 € zzgl. USt. Damit stehen alle Möglichkeiten des Seller Accounts zur Verfügung. Die Verkaufsprovision, die Amazon beim Verkauf der Artikel einbehält, liegt – abhängig von der Kategorie – i.d.R. bei 15% berechnet auf den Brutto-Verkaufspreis.

  • Bei der Nutzung von FBA fallen folgende Kosten an:
  • Anlieferung der Ware an das Amazon-Warenlager (als Paket mit DHL aktuell 3,31 €)
  • Lagergebühren, Kombination aus Volumen und Gewicht (20 € – 28 € pro m³ und Monat)
  • Versandgebühr je nach Lagerort, Abmessung und Gewicht des Artikels und des gewählten FBA-Lagermodells (Lagerung nur in DE bedeutet einen Gebührenaufschlag von 0,50 €) 1,63 € bis 6,28 € pro Artikel
  • Ggfs. Servicegebühren für Remission, Entsorgung oder Etikettierung
  • Retourenkosten

Vendor kündigen? Fazit

Ein Wechsel in das Seller Programm ist für viele Vendoren durchaus eine Option, da die damit einhergehenden Vorteile die zusätzlichen Aufwände überwiegen. Ein Wechsel von dem einen ins andere Programm will jedoch gut geplant und vorbereitet werden, da es einige operative Umstellungen gibt. Zusammen mit einem kanalübergreifenden Konditionsmodell, dass alle Händler und Distributoren mit einschließt, können es Hersteller auf diese Weise schaffen, die Preise auf dem Marktplatz Amazon besser zu kontrollieren. Ihren Vendor-Account sollten Sie jedoch nicht kündigen, zumal das auch so einfach nicht möglich ist. Sie brauchen Ihn auch weiterhin, um z.B. bestehende Listings zu bearbeiten.

Sie wissen weiterhin nicht, welches Verkaufsmodell für Sie auf Amazon das richtige ist? In unserem neuen Blog-Artikel: "Welches Verkaufsmodell passt zu Ihrem Amazon Business? Vendor, Seller oder Hybrid-Modell?" erläutern wir Ihnen, wann ein Wechsel des Verkaufsmodells sinvoll ist und welche Vor- und Nachteile sich hieraus ergeben. Hierbei erhalten Sie interessente Ratschläge dazu, wie ein Wechsel vom Vendor- in das Seller-Programm abläuft, was es bei diesem zu beachten gilt und welche Rolle das Hybrid-Modell dabei spielen kann.

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