Amazon Fulfillment: Welches Modell lohnt sich? UPDATE

Wer als Händler auf Amazon aktiv ist, wird von Amazon regelmäßig für unterschiedliche Versandprogramme angeworben. Welche Programme es mit Versand durch Amazon gibt und welches Programm sich wann lohnt, wollen wir im Folgenden näher betrachten. 

FBM & FBA

Zunächst müssen wir die Begrifflichkeiten klären: FBM bezeichnet den Versand durch den Händler (Fulfillment by Merchant oder auch Merchant Fulfillment Network kurz MFN genannt). Hier versenden Sie bestellte Ware selbst an den Endkunden.

FBA bezeichnet den Versand durch Amazon (Fulfillment by Amazon oder auch Amazon Fulfillment Network kurz AFN genannt). Sie liefern Ihre Ware an ein Amazon-Versandlager und Amazon versendet den Artikel dann in Ihrem Auftrag an den Endkunden. Nutzen Sie FBA, müssen Sie sich entscheiden, welches der von Amazon angebotenen Versand- und Lagermodelle Sie nutzen wollen. Für die verschiedenen Lagermodelle ergeben sich unterschiedliche Kosten auf den unterschiedlichen Amazon-Marktplätzen.

Fünf europaweite Amazon-Marktplätze

In Europa gibt es aktuell fünf Marktplätze, auf denen Sie Ware als Händler anbieten können: 

• Deutschland (amazon.de)
• Vereinigtes Königreich (amazon.co.uk) 
• Frankreich (amazon.fr)
• Italien (amazon.it)
• Spanien (amazon.es)

Kunden*Kundinnen können auf diesen Marktplätzen beliebig Ware kaufen. Dabei ist es möglich, dass Kunden*Kundinnen innerhalb der verschiedenen Marktplätze Waren in andere Länder bestellen, z.B. von amazon.de nach Italien, oder Ware in Drittländer ohne eigenen Marktplatz bestellen, wie z.B. von amazon.fr nach Belgien. 

Europäisches Versandnetzwerk

Über das Europäische Versandnetzwerk (EFN) können Sie als Händler Ware in einem lokalen Logistikzentrum bei Amazon lagern, aber auf allen europäischen Marketplaces anbieten. Bei einer Bestellung versendet Amazon die Ware aus dem primären lokalen Amazonlager. Voraussetzung sind entsprechende Versand- und Exporteinstellungen.

Länderübergreifende Lieferung und Export

Amazon unterscheidet zwischen der Lagerung von Waren in verschiedenen Ländern sowie dem grenzüberschreitenden Versand und weltweiten Export. 

Sie können bei Amazon für jeden Marktplatz gesondert einstellen, wo Ware gelagert und in welche Länder diese exportiert werden soll. Die Exporteinstellungen, für welche neben den bestehenden Versandkosten keine zusätzlichen Kosten entstehen, gliedern sich wie folgt: 

Für den gibt es drei Optionen: 

1. Versand und Export ins Ausland deaktivieren
2. EU 26: 26 EU-Länder ohne Kroatien (für neuere Konten ist diese Funktion eventuell nicht mehr verfügbar)
3. Weltweit: Export in über 80 Länder

Darüber hinaus kann eine beliebige Versandbeschränkung, gültig für alle Angebote im entsprechenden Marktplatz, auf Länder und Regionen-Ebene eingestellt werden. Hier deaktivierte Länder/Regionen werden dann nicht beliefert. 

Zusätzlich können die Exporte auch auf Produktebene (jedoch nur für Nicht-Medienprodukte) ausgeschlossen werden. Eignet sich beispielsweise ein Produkt nicht für alle Länder, können Sie für diese ASIN bestimmte Länder ausschließen.

Für den gibt es zwei Optionen: 

1. Versand und Export ins Ausland deaktivieren
2. Weltweit: Export in über 80 Länder (für alle Artikel)

Beschränkungen können wie in DE vorgenommen werden.

Für die (FR, IT, ES) gibt es drei Optionen:

1. Versand und Export ins Ausland deaktivieren
2. EU 26: 26 EU-Länder ohne Kroatien
3. EU 26 und Medien weltweit: 26 EU-Länder ohne Kroatien (für alle Artikel) sowie der weltweite Export von Medienartikeln

Beschränkungen können wie in DE vorgenommen werden.

Händler sollten bei der Exportfreigabe darauf achten, für welche Länder sie einen Export zulassen. Fragen hinsichtlich der Produkthaftung sind außerhalb der EU je nach angebotener Kategorie nicht zu unterschätzen.

Die Einstellungen lassen sich im Seller Central unter Einstellungen > Versand durch Amazon > Versandprogramme und Exporteinstellungen für jeden Marktplatz gesondert vornehmen.

Welche Lager- und Versandmodelle gibt es auf Amazon?

Amazon unterscheidet drei wesentliche Lager- und Versandmodelle:

1. Lokaler Versand (inländischer Versand durch Amazon wahlweise DE, UK, FR, IT oder ES)
2. Programm Mitteleuropa (CEE) (DE, PL, CZ)
3. Paneuropäisches Versandnetzwerk, kurz PAN-EU (DE, UK, FR, IT, ES, PL, CZ)

Das erste, einfachste und bei kleineren Händlern wohl verbreitetste Modell ist der lokale Versand aus Deutschland heraus. Hierbei wird die Ware ausschließlich in Deutschland gelagert. Der Händler liefert nur an in Deutschland befindliche Amazon-Versandlager. Amazon berechnet hier eine Strafgebühr von 0,25 EUR pro verkauftem Artikel (früher mal 0,50 €), da Amazon internationale Lagermodelle bevorzugt. Je nach Exporteinstellungen werden aus Deutschland heraus verschiedene Länder beliefert.

Beispielhafte Versandkosten für ein Standardpaket mit den Abmessungen 35 x 25 x 20 cm und einem Gewicht von 800 Gramm:

Nun können Sie Ware auch in einem anderen Marktplatzland einlagern, z.B. weil Sie besonders viele Verkäufe in Frankreich haben, aber nicht in anderen Marktplätzen. Amazon nennt dieses Programm auch Lagerbestand im Marktplatz-Land (engl. Multi-Country Inventory, MCI). Der Vorteil für den/die Kunden*Kundin liegt darin, dass die Versandlaufzeit deutlich verkürzt ist, da sich die Ware bereits im Zielland befindet. Das wiederum erhöht auch die Chance, die Buybox zu gewinnen. Um eine neues Land zu beliefern, wählen Sie unter Lagerbestand senden/ergänzen unter “Lagerung und Versand in folgendem Land aktivieren” das entsprechende Land aus und senden Produkte an das entsprechende Lager. 

Für die Kosten unsere Beispielpakets mit 800 Gramm Gewicht bedeutet das in diesem Modell:

Im zweiten Programm “Mitteleuropa” lagern Sie die Ware in Deutschland, Polen oder Tschechien. Dabei liefern Sie Ware weiterhin nur an ein Versandzentrum in Deutschland an. Amazon verteilt Ihre Ware dann so zwischen Deutschland, Polen und Tschechien auf, wie der Algorithmus es empfiehlt. Ihr Warenbestand wird als “ein deutscher Lagerbestand” betrachtet und in beliebige Amazonlager in den drei Ländern eingelagert und an Kunden*Kundinnen versendet. Die 0,25 EUR Strafgebühr fallen dann für Versand im Inland wie Ausland gleichermaßen nicht mehr an. Für unser Beispielprodukt bedeutet das:

Im dritten, paneuropäischen Versandmodell liefern Sie die Ware an ein deutsches Logistikzentrum. Amazon verteilt diese Ware dann nach eigenen Vorgaben über Logistikzentren in Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Frankreich, Italien, Spanien, Polen und Tschechien. Amazon betrachtet Ihren Lagerbestand dann in einem europäischen Lagerbestandspool. Sie haben dann keinerlei Einfluss darauf, aus welchem Lager oder Land der Lagerbestand an Kunden*Kundinnen versendet wird. Die 0,25 EUR Strafgebühr fallen wie im Programm Mitteleuropa im Inland wie Ausland für unser Beispiel ebenfalls nicht mehr an. Zusätzlich werden im Programm PAN-EU bei einer Bestellung auf allen fünf Marktplätzen immer nur die lokalen Versandgebühren des jeweiligen Marktplatzes fällig, egal von wo aus der Artikel versendet wird. Für unser Beispielprodukt bedeutet das:

Wichtig ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass jede Lagerung im Ausland steuerrechtliche Konsequenzen mit sich bringt. Stichwörter sind hier: Umsatzsteuerregistrierung, Grenzwerte für Fernabsätze und Intrastat-Meldungen. Lassen Sie sich unbedingt vor dem Aktivieren der länderübergreifenden Lager- und Exporteinstellungen durch einen Steuerberater hinsichtlich der entstehenden Anforderungen und Kosten beraten. Ein Wechsel ins PAN-EU-Programm ist in Seller Central bereits mit wenigen Klicks erledigt. Für die Abgeltung aller steuerlichen Konsequenzen müssen Sie aber selbst sorgen, Amazon unterstützt an dieser Stelle nur partiell.

Übersicht der verschiedenen Versandkosten der unterschiedlichen Versand- und Lagermodell mit FBA:

Wie Sie sehen, setzen sich die Versandkosten ganz unterschiedlich zusammen. In der direkten Gegenüberstellung zeigt sich, dass im lokalen Modell durch die Verschiebung des Lagerbestands in ein anderes Marktplatzland oder durch eine Umstellung auf das PAN-EU Modell große Einsparpotentiale liegen. 

Small and Light 

Mit Small and Light hat Amazon eine spezielle FBA-Versandmethode ins Leben gerufen, mit der kleine, leichte und günstige Produkte schnell und günstig versendet werden können. 

Für den Käufer ergibt sich der Vorteil, Produkte, die über einen Verkaufspreis von maximal 10 EUR (einschließlich Umsatzsteuer) verfügen, mit Prime-Versand (1-2 Tage) zu erwerben, ohne, dass die Regeln eines Plus-Produktes greifen (für ein Plus-Produkt muss der Einkaufswert für kostenlosen Versand trotz Prime-Mitgliedschaft bei 25 € liegen). Aus Händlersicht fallen die Versandgebühren im Vergleich zu den Standardgebühren für Versand durch Amazon deutlich geringer aus. Für Händler, die bisher nicht das Programm Mitteleuropa oder PAN-EU nutzen, fällt zudem keine Strafgebühr von 0,15 EUR an (früher 0,35, davor mal ohne jegliche Strafgebühr).

Die Anforderungen an Produkte für Small and Light sind jedoch durchaus umfangreich:

• leichter als 225 Gramm
• kleiner als 33,5 cm x 23 x 4,6 cm
• max. Preis von 10 EUR (inklusive Umsatzsteuer)
• ~in den vergangenen 4 Wochen mindestens 10 Mal verkauft~
• auf amazon.de angeboten
• Produktzustand “Neu”
• kein Gefahrgut
• keine Erotikartikel
• kein FSK18- oder USK18-Produkte
• keine E-Zigaretten oder verwandte Produkte 
• keine Produkte, für die eine Anmeldung oder eine andere Altersverifizierung erforderlich ist
• keine für den Versand durch Amazon verbotenen Produkte
• keine temperaturempfindlichen Produkte im Zeitraum vom 1. Mai bis 14. Oktober
• ~Anlieferung von mind. 24 Einheiten pro SKU~

Lohnt sich Small and Light? 

Die Versandgebühren von Small and Light liegen im Vergleich zu allen anderen "Versand durch Amazon"-Programmen für einen Artikel im Großbrief-Format (33 x 23 x 2,5 cm bis 225 Gramm) deutlich niedriger:

Je nach gewähltem Versand-Modell und Artikel kann sich hier sogar eine Senkung des Verkaufspreises als lohnenswert herausstellen, da die Versandkosten im besten Falle 40% geringer ausfallen. 

Update 18.10.19

Seit Oktober 2019 kann das Programm Mitteleuropa auch für Small and Light genutzt werden. Dadurch lassen sich weitere Versandkosten Höhe von 0,30 EUR einsparen. Für unser Beispielprodukt bedeutet dies:

Im Vergleich zum Lokalen Versand innerhalb Deutschlands lassen sich so 55 % einsparen. Außerdem ist Small and Light jetzt für große Briefe laut Amazon Preisliste auch in Italien, Spanien und Frankreich verfügbar.

Fazit

Als Händler sollten Sie regelmäßig überprüfen, ob Sie im aktuellen Versandmodell richtig aufgehoben sind. Eine Analyse der Warenströme sowie eine genaue Gegenüberstellung der verschiedenen Modelle kann schnell zu enormen Kosteneinsparungen führen. Amazon ändert zudem regelmäßig die Konditionen (Änderung FBA-Langzeitlagergebühren, Anpassung der FBA-Versandgebühren)

Wirken beim Schritt Richtung Internationalisierung die steuerlichen Anforderungen zunächst herausfordernd, können die entstehenden Einsparungen im neuen Versandtarif die buchhalterischen Kosten häufig aufwiegen. 

So verfügt ein Händler mit lokalem Versandmodell aus Deutschland heraus bei 10.000 Bestellung pro Jahr, je nach Anteil der ausländischen Bestellungen, häufig schon über Potential, den Schritt in die europaweite Lagerung zu gehen. 

Hier finden Sie die aktuelle Amazon-Preisliste (Stand September 2019)

Andere spannende Artikel: Vom Vendor zum Seller